Video Digest
Mit Video Digest präsentieren die Videonale Bonn und das IMAI – Inter Media Art Institute Düsseldorf ein Online-Videokunstmagazin und ein verbundenes Recherche- und Ausstellungsprojekt in der Moltkerei Werkstatt, Köln, das um die parallel stattfindenden Programmreihe VIDEONALE.scope erweitert wird.
Das Projekt Video Digest nahm mit einer besonderen Faszination für das Videomagazin Schauinsland von Video Congress einen Anfang, dass sich im Archiv des IMAI – Inter Media Art Institute befindet. 1982 gründete sich Video Congress im Nachhall der documenta 7 als lose Verbindung von Videokünstler:innen in Kassel. Mit dem Wunsch kollaborativ Themen zu bearbeiten, Infrastrukturen für die Produktion des noch jungen Mediums Video zu etablieren und gleichzeitig eine selbstbestimmte Distribution der Arbeiten zu initiieren, entwickelte die Gruppe ein jeweils mehrere Videobeiträge umfassendes Format auf VHS-Kassetten, das unabhängig zirkulieren, gezeigt und geteilt werden konnte. Dabei nahmen die Initiator:innen Impulse des wenige Jahre zuvor von Gábor and Vera Bódy entwickelten ersten Videokunstmagazins Infermental auf, das von 1980 bis 1991 mit wechselnden Herausgeber:innen und thematischen Setzungen zehn Ausgaben mit internationaler Videokunst ihrer Zeit publizierte. Während Schauinsland deutliche Verbindungen zu Jugend-, Punk- und New Wave-Kulturen aufbaute und die Beiträge der verschiedenen Kollektive mitunter untrennbar ineinander verschwammen, stärkte Infermental die Idee einer Enzyklopädie[1], die aktuelle Videoexperimente in ihrer Vielfalt abzubilden versuchte. Als drittes, im Rahmen des Projekts hinzugezogenes Videomagazin gelang es dem ein Jahrzehnt später operierenden Zapp Magazine mit Sitz in Amsterdam und „Zweigstellen“ in New York, Paris, London, Kopenhagen schließlich das Format Videomagazin als ein unabhängiges Organ der Kunstkritik und Dokumentation noch einmal neu zu denken. So dokumentierten die von 1993 bis 1999 herausgegebenen Editionen neben Videokunst insbesondere Mitschnitte von Eröffnungen, Vorträgen oder Performances, die in ihrer unaufgeregten DIY-Ästhetik ein vielstimmiges Bild der internationalen Kunstszene transportierten.
All ihrer strukturellen und formalen Unterschiede zum Trotz verbindet die genannten Videomagazine ein besonderes politisches Bewusstsein, das sich in den Themen ebenso wie in der (Selbst-)Organisation und Distribution der Werke niederschlägt. So überschrieb Video Congress ihre erste Ausgabe mit der Devise: „Für eine aktive Art Video“[2] und auch die Herausgeber:innen von Infermental setzten mit der Thematisierung des schwelenden Ost-West-Konflikt dezidiert politische Akzente. Das von Videonale und IMAI – Inter Media Art Institute initiierte Video Digest greift diese Impulse auf und untersucht anhand einer Reihe dialogisch präsentierter aktueller Arbeiten das widerständige Potential von Bewegtbild in unterschiedlichen Kommunikationskanälen aus gegenwärtiger Perspektive. Die in diesem Kontext neu entstandenen Videoarbeiten, Performances und Zines von Ji Su Kang-Gatto, Ayesha Hameed, Becket MWN, Rrangwane und Leyla Yenirce (in Zusammenarbeit mit Mazlum Nergiz) greifen dabei diverse Sprachen und Strategien des Protests, der Mobilisierung, aber auch der Resignation auf und reflektieren ein von video on demand, smart TV, YouTube/ Youku, TikTok und Instagram geprägtes Video-Habitat der Gegenwart.
Neben der Präsentation der Neuproduktionen zeigt die Ausstellung Video Digest die von FRIGO (Gérard Couty, Mike Hentz, Christian Vanderborght) editierte vierte Ausgabe von Infermental mit 102 Beiträgen, die Ausgabe eins von Schauinsland mit dem Titel Erotik und Beiträgen von Gruppe A & A, Fun & Art sowie Norbert Meissner und die Ausgabe sechs des von Corinne Groot, Jack Jaeger, Arnold Mosselman and Rob van de Ven produzierten und kuratierten Zapp Magazines in einer Ausstellungsarchitektur von Lennart Wolff, flankiert von temporären Erweiterungen in Form von Screenings und Performances.
Mit dieser behaupteten ersten Ausgabe des neuen Videomagazins Video Digest reiht sich das Projekt in eine Reihe von Vorgängerausstellungen ein, die in den historischen Videomagazinen eine besondere Relevanz für aktuelle Mediendiskurse und Videoproduktionen erkennen. Neben der gemeinsam von George Clark, Dan Kidner und James Richards kuratierten Ausstellung A Detour Around Infermental in der Focal Gallery in 2010 und Vorstellungen der Zapp Magazine im Kunstverein Amsterdam oder den KW Institute for Contemporary Art, Berlin in 2019 ist dabei insbesondere auch das 1st International Videozine Screening von 1995 eine wichtige Referenz, in der Jack Jaeger eine erste große Übersichtsschau mit 12 internationalen Videomagazinen in Arcadia, Köln und Air de Paris, Paris kuratierte.
Kurator:innen: Miriam Hausner, Nele Kaczmarek, Tasja Langenbach
Konzeption: Tasja Langenbach, Linnea Semmerling
[1] Vgl. Posterinschrift Infermental. In: A Detour Around Infermental. Southend-on-Sea 2012, S. 18 f.
[2] Vgl. Buschmann, Renate: Video Congress. Ein Kollektiv und Magazin künstlerischer Videoaktivist_innen. In: Renate Buschmann und Jessica Nitsche (Hg.), Video Visionen. Die Medienkunstagentur 235 Media als Alternative im Kunstmarkt. Bielefeld 2020, S. 104.