Ein wiederkehrendes Motiv im Werk von Luzia Hürzeler ist das Verhältnis von Mensch und Tier. So konfrontierte die Künstlerin ihre Katze mit einem Selbstporträt aus Katzenfutter, betrieb Feldforschung im Zoomilieu und tauschte im Selbstexperiment ihr natürliches Umfeld mit dem einer Forelle. Die zweikanalige Videoinstallation Die Forelle (2012) zeigt das synchrone Auf- und Absteigen des Wasserpegels in zwei Behältnissen: in einem ist die Künstlerin zu sehen, in dem anderen ein Fisch, und sie ringen abwechselnd nach Sauerstoff. Der Hauptprotagonist von Il nonno (Der Großvater) (2009/10) ist ein erwachsener Löwe, der mit seinem ausgestopften Großvater konfrontiert wird. Wir sind neugierig: Wird der Löwe seinen Ahnen ‚wiedererkennen’? Wie wird er reagieren? Tatsächlich stellt er sich vor die Tierpräparation in gleicher Körperhaltung, so dass das anfängliche ‚Standbild’ des Großvater-Löwen zum Leben erweckt zu sein scheint.
Luzia Hürzeler verhandelt in ihren Werken verschiedene Aspekte von Zeitlichkeit: das individuelle Erleben des Fließens der Zeit, menschliches Streben nach Ewigkeit und den Wunsch nach Überwindung der Zeit, der im Widerspruch zur Unumgänglichkeit unserer Vergänglichkeit steht. Die Künstlerin vereint geschickt Darstellungen bewegungsloser Motive, die das Skulpturale und das Stillstehen der Zeit evozieren, mit Handlungen, die in einer bestimmten Zeit ausgeübt werden (müssen).
A sculpture has to remain still (2008/09) ist eine zweiteilige Videoarbeit über einen brasilianischen Straßenkünstler, der als ‚lebende Skulptur’ auf den Plätzen von Rom auftritt. Neben einem fünfzigminütigen Video seiner körperlich anstrengenden Darbietung, das in einem nicht öffentlichen, neutralen Raum entstand, nahm Luzia Hürzeler ein Interview mit dem Künstler auf. Darin berichtet er von seinen mentalen Reisen während des langen Verharrens in Bewegungslosigkeit und von den erlebten Reaktionen des Straßenpublikums.
Die Videowerke I always (2009/10) und L'occhio del Pantheon (Das Auge des Pantheons) (2008) entstanden ebenfalls in Rom. I always ist ein Reenactment der alltäglichen Handlungen eines Straßenverkäufers, der regelmäßig in Windeseile die von ihm angebotenen gefälschten Designertaschen einpacken und vor Polizei weglaufen muss. So folgen dem Small Talk mit Touristen ganz plötzlich unkalkulierbare Momente großer Anspannung und Angst. Die Nachstellung fand in einem geschützten Raum statt, wobei die Flucht durch ein Zeichen der Künstlerin ausgelöst wurde.
In L'occhio del Pantheon fällt unser Blick in gewissermaßen göttlicher Perspektive von oben auf die zu Pfingsten in der Kirche versammelten Menschen. Luzia Hürzeler filmte den Moment nach dem Herabregnen von Rosenblättern, die anlässlich des Festes durch die Öffnung in der Kuppel des Pantheons in den Raum geworfen wurden. Gelegentlich blitzt von unten ein Kameralicht auf, die Linse nach oben gerichtet.