VIDEONALE.scope #10
Eine experimentelle Film- und Videokunstreihe der Videonale Bonn
Die Experimentalfilm- und Filmkunst-Reihe VIDEONALE.scope ergänzt seit 2013 das Programm der Videonale Bonn. Neben der alle zwei Jahre stattfindenden VIDEONALE – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen im Kunstmuseum Bonn, die aktuellste Positionen aus dem Bereich Bewegtbild zeigt, erweitert VIDEONALE.scope das Veranstaltungsspektrum um ein Kinoformat mit Fokus auf thematisch konzipierte Programme, die junge und historische Positionen in einen Dialog bringen. Das Format knüpft damit an die 1. Videonale (1984) an, die damals schon das Programm Film und Video als Teil des Festivalprogrammes präsentierte.
VIDEONALE.scope #10
Open Your Scope – Counter Narratives
Video, Kurzfilm, Performance
30.11. + 01.12.2023 | Turistarama Köln
Zum bereits zehnten Mal hat die Veranstaltungsreihe VIDEONALE.scope in Köln stattgefunden. Für diese Jubiläumsausgabe gestalteten wir in Kooperation mit der Stinftung IMAI das Programm gemeinsam mit denjenigen, die es in den vergangenen Jahren durch ihre Werke geprägt haben. Die Künstler:innen und Filmemacher:innen Eli Cortiñas, Ayesha Hameed, Ji Su Kang-Gatto und Vika Kirchenbauer haben jeweils ein Programm zur thematischen Rahmung „Open Your Scope – Counter Narratives“ kuratiert.
„scope“ wird in der Übersetzung als erweiterter Rahmen oder Spielraum wörtlich verstanden: Abseits vom Kanon verarbeiten die künstlerischen Arbeiten marginalisiertes Wissen und experimentieren mit alternativen Erzählformen. In den Programmen wurden unter wechselnden Schwerpunkten herrschende Narrative hinterfragt und Visionen für zukünftige Wirklichkeiten imaginiert.
In den von Eli Cortiñas ausgewählten Werken wird Geschichte von den Rändern, aus der Perspektive derer, die in der dominanten Geschichtsschreibung vergessen, verdrängt oder überschrieben wurden, neu und wider überkommener Machtstrukturen erzählt. Es entstehen Erzählungen, die nicht nur im Inhalt, sondern auch im Ausdruck Alternativen zu gängigen Formaten etablieren.
Den Blick auf die unsichtbaren Verbindungen zwischen Körpern und seelischen wie natürlichen Landschaften öffnete Ayesha Hameed mit den von ihr ausgewählten künstlerischen Positionen. Wie schreiben sich koloniale Vergangenheiten, neokoloniale Machtstrukturen und global wirkende Mechanismen der Ausbeutung in uns ein und welche Möglichkeiten der Heilung gibt es?
Ji Su Kang-Gatto hat während der Pandemie Künstler:innen und Nicht-Künstler:innen eingeladen, kurze Videos im Stil von YouTube-Clips zu produzieren, in denen sie Gerichte oder Getränke in der eigenen Küche zubereiten. Die Clips thematisieren nicht nur den erzwungenen Rückzug ins Private, sondern auch die Bedeutsamkeit von gelebten und performten kulturellen Identitäten.
Mit dem von ihr kuratierten Programm mit Werken des Filmemachers Theo Cuthand adressierte Vika Kirchenbauer Strategien des Widerstands gegen die Macht normativer Geschlechts- und Identitätsmodelle, die Cuthand in seinen Selbstdarstellungen aufgreift und mit alternativen Blicken erwidert.
Die Filmprogramme wurden durch Gespräche, Performances und performative Interventionen erweitert. Im Anschluss freuen wir uns über gemeinsame Zeit an der Theke des Turistaramas.
Fotos: Sandra Stein
Seit 1995 hat Theo Cuthand etwa fünfunddreißig Videoarbeiten produziert, die sich oft von der ersten Person ausgehend mit Fragen zu Queerness, Indigenität und psychischer Gesundheit befassen. Seine Arbeiten zeigen das Selbst im Kontext und Identität in stetigem Wandel. So entstehen affektive Infrastrukturen, in denen Multiplizität und Differenz angelegt sind. Was auf den ersten Blick als Selbstbetrachtung erscheinen mag, erweist sich als künstlerischer Ansatz, der zutiefst an relationalen Fragen interessiert ist und darauf abzielt, Möglichkeitsräume für reparative, kollektive Zukünfte auszuloten.
Zu sehen sind:
- Lessons in Baby Dyke Theory, CA 1995
- Helpless Maiden Makes an “I” Statement, CA 2000
- Love & Numbers, CA 2004
- You Are a Lesbian Vampire, CA 2008
- Sight, CA 2012
- 2 Spirit Introductory Special $19.99, CA 2015
- Reclamation, CA 2018
- Extractions, CA 2019
- Less Lethal Fetishes, CA 2019
Language beyond language. Language inspite of language (Sprache jenseits von Sprache. Sprache trotz Sprache) erforscht das Meer, weibliche Stärke, seismische Kräfte und das Schamanische durch Gestik, Glitches in Bewegungen, Atmung und Klänge. Zusammen bilden sie ihr eigenes stofflich haptisches Vokabular. Durch Videos von Sancintya Mohini Simpson, Jane Jin Kaisen und Alberta Whittle, eine Klangarbeit von Himali Singh Soin und ein Gespräch über Sprache, Gesten und Stille mit Anna Jäger, SAVVY Contemporary, wird Sprache mit sich selbst übersättigt und verweist dabei auf zutiefst innerliche Aspekte, die über das Gesagte hinausgehen.
Zu sehen sind:
- Sancintya Mohini, Simpson Blood-Link, 2013
- Alberta Whittle, Reset, 2019
- Jane Jin Kaisen, Offering – Coil Embrace, KOR 2023
- Himali Singh Soin, An Affirmation, 2022
The Ruin That Has Become Our Collective Home ist tief in den Positionen der Künstler:innen verwurzelt, deren beeindruckende künstlerische Praxis kritische Befragungen hervorbringt, die von einem großzügigen Zuhören geleitet sind: Hinzufügen statt Auslöschen, Beobachten statt Aufdrängen, Neuschreibung anstelle des Verewigens hegemonialer Erzählungen von Herrschaft und Zerstörung. Die Werke von Santiago Mostyn, Alice Bucknell, Musquiqui Chihying, Colectivo Los Ingrávidos und Naomi Rincón Gallardo, haben gemein, dass sie unterdrückerische Narrative hinterfragen und durch die Linse eines kritischen Fabulierens, spekulativer Fiktion und Geschichten, die von Widerstandsfähigkeit und Solidaritäten erzählen, neue Taxonomien konstruieren. Eröffnet wird das Programm von einer Live-Performance der multidisziplinär arbeitenden Künstlerin donna Kukama.
Zu sehen sind:
- Santiago Mostyn, Dream One, SWE 2022
- Musquiqui Chihying, The Lightning, 2021
- Colectivo Los Ingrávidos, Impresiones para una máquina de luz y sonido (Impressions of a Light and Sound Machine), MEX 2014
- Alice Bucknell, The Alluvials: Chapter 1: California-pilled, 2023
- Naomi Rincón-Gallardo, Resiliencia Tlacuache, MEX 2019
Zur Anfangszeit der Pandemie gab es eine kurze Zeitspanne des Zusammenhalts. Viele verbrachten Zeit zu Hause und verarbeiteten ihre Sorgen in selbst-gemachten Speisen und Getränken. Während die erste Staffel Identities and Recipes (Pre-Pandemie) die hybride Identität von Ji Su Gatto behandelt, gewährt die zweite Staffel Einblick in Küchen und Lebensumstände anderer. Die YouTube-Videos finden nun drei Jahre später ihren Weg auf die große Leinwand. Es sind Arbeiten, die sowohl von Künstler:innen als auch von Nicht-Künstler:innen gemacht, produziert und entwickelt wurden. Staffel 2 endet mit Suse Itzels Arbeit How to make lentil stew without touching your hands – unter Einsatz von verlängerten Küchenutensilien, die den Eindruck von gezückten Waffen erwecken, zum Schutz. Doch der Kochprozess wirkt nicht professionell, sondern bewusst fehlerhaft.
Zu sehen sind Arbeiten von:
Ji Su Kang-Gatto, Johann Husser, Federico Gatto, Giorgi Gedevanidze + Sissy Schneider, Dilara Raika Er, Julia Jesionek + Luisa Alfonso, Ida Kammerloch, Hani Gimna + Yonghyuk Kim, Anastasia Pusch, Victoria X Ruhe, Carlos Backes + Victoria Lund, Seongmin Yuk, Tanja Ritterbex, Dani Kim, Julius Continental, Sana Afzal, Hyeseon Jeong, Seongjin Park + Sungae Kim, Luisa Stricker, Lotta Aurora, Arometz, Thomas Lambertz, Jeesoo Hong + Kihuun Park, Mathilde Hawkins + Max Mauro Schmid, Suzin Bahc, Victoria Herzog, Nathan Schönewolf, Suse Itzel